Die Region als Kulturlandschaft und Welterbe
Die Landschaftselemente der Region Neusiedler See waren immer wieder wechselnden Nutzungen unterworfen, manchmal nur über Jahrzehnte, manchmal über Jahrhunderte. Ihre Vielfalt und ihr Einfluss auf das Ortsbild machen sie zum wertvollen Kulturerbe.
Wie hat der Mensch den Naturraum beeinflusst?
Die Urbarmachung einer Landschaft war am Neusiedler See kein einmaliger Prozess. Nicht nur Kriege führten mehrmals zur Aufgabe von Siedlungen und zur Rückkehr einer natürlichen Vegetation, auch der Wechsel von wärmeren, trockenen zu nasskalten Perioden hatte großen Einfluss auf das Gesicht der Landschaft. Auf Rodung und Trockenlegung folgte zunächst eine extensive Weidewirtschaft, die ihrerseits vom Ackerbau, später vom Weinbau zurückgedrängt wurde. Der Torfstich im Hanság des 19. Jahrhunderts wurde von Ackerbau und Forstwirtschaft abgelöst. Die offene, artenreiche Kulturlandschaft ist heute – bis auf wenige Ausnahmen – nur mehr in geschützten Gebieten vorhanden: In Form von Trocken- und Halbtrockenrasen entlang des Westufers und am Lössabhang der Parndorfer Platte, als Hutweiden und Feuchtwiesen im Seewinkel, als Sanddamm am Ostufer und als Reste des Niedermoors im Hanság. Die großflächige Beweidung wurde mit der Nationalparkgründung 1993 wieder eingeführt, wo größtenteils selten gewordene Haustierrassen wie Graurinder, Wasserbüffel oder Weiße Esel – ebenfalls ein Kulturerbe – dabei helfen, die gebietstypische Biodiversität zu erhalten. Schon einige Jahrzehnte hält der Rückgang der intensiven Landwirtschaft rund um den Neusiedler See an, aufgelassene Weingärten werden jedoch oft für den Ackerbau genutzt oder verbuschen. Mais-, Kartoffel- und Sonnenblumenfelder tragen ebenfalls zu einer ökologischen Verarmung der Kulturlandschaft bei. Im Randbereich der Dörfer beanspruchen Einfamilienhäuser und Gewerbebetriebe große Flächen.
Welche Einschnitte prägten das Ortsbild?
Eine kontinuierliche Besiedlung des Gebiets kann seit etwa 7.000 Jahren angenommen werden. Je nach den klimatischen Bedingungen nutzten die Menschen seenahe oder erhöhte Siedlungsflächen. Die heutige Siedlungsstruktur geht auf das Mittelalter zurück. Die Hofstellen der Lehensbauern waren in Straßen- und Angerdörfern entlang der Durchzugsstraße aufgereiht, bebaut mit Streckhöfen. Die ersten urkundlichen Erwähnungen von Ortsnamen stammen aus dem 13. Jahrhundert. Im 14. und 15. Jahrhundert wurden viele Ortschaften im Seewinkel und am Heideboden aufgegeben, Siedlungen am Westufer profitierten von ihrer höheren Lage und der lokalen Verfügbarkeit von Sandstein. Auf die Zerstörungen während der Türkenkriege folgte der Wiederaufbau in Form von „Ingenieurdörfern“. Die gemischte Landwirtschaft mit Acker- und Weinbau, Viehzucht und Obstbau dominierte. Größere Umwälzungen brachte die Intensivierung der Rinder- und Pferdezucht. So wurde etwa in Illmitz im Jahr 1900 die erste Milchgenossenschaft des Komitats Wieselburg gegründet. Der gestiegene Platzbedarf führte zum Bau von Kreuzstadeln am Ortsrand. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Viehwirtschaft an Bedeutung. Auf früheren Weideflächen wurden Weingärten ausgepflanzt, in den Dörfern entstanden immer größere Wirtschaftsgebäude. Tourismus, Wein- und Ackerbau bilden seither den wirtschaftlichen Schwerpunkt. Der Verkauf von „unproduktiven“ Flächen durch die Urbarialgemeinden markiert den Beginn der Zersiedelung. Auch im Ortskern änderte sich vieles: Der Wohlstand führte zu „modernen“ Neubauten, aus manchen Bauernhöfen wurden Gästeunterkünfte. In Ungarn führte die Kollektivlandwirtschaft zum Verschwinden von Bauernhöfen, nur die Struktur der schmalen Parzellen blieb erhalten. Bauernhöfe des Hanság-Beckens mit ihren Arkadenhäusern sind nur mehr als Museum (in Fertőszéplak) zu bewundern. Der Zuwachs an (freistehenden) Einfamilienhäusern an den Ortsrändern erfolgte als Rastersiedlungen, die Siedlungsfläche hat sich in vielen Dörfern verdoppelt.
Vor welchen Herausforderungen steht die Welterberegion?
Für den außergewöhnlichen universellen Wert der Welterbe-Kulturlandschaft Neusiedler See – Fertő taj sind traditionelle Siedlungsstrukturen und Bauweisen von großer Bedeutung. Die jüngsten Entwicklungen gefährden dieses Erbe. Die fortschreitende Bodenversiegelung rund um die Ortskerne führt nicht nur zum Verlust der Artenvielfalt, sie verstärkt auch die Auswirkungen des Klimawandels. Neubauten steigern im Vergleich zur Adaptierung von Bestandsgebäuden den Energiebedarf. Die zentrale Herausforderung für die Zukunft sind deshalb die Einführung von Siedlungsgrenzen und die Erhaltung (und Nutzung!) des historischen Baubestands.
Purbach, Katasterplan von 1875
Ein typisches Angerdorf (Burgenländisches Landesarchiv)
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