Wasserqualität und Gewässerökologie: Von der Empfindlichkeit eines Steppensees
Der Neusiedler See weist mehrere Merkmale von großen, flachen Seen in Zentralasien oder Afrika auf. In Europa gibt es das nur einmal. Was macht den Neusiedler See so besonders und wie würde sich eine Dotierung auswirken?
Was ist ein Steppensee?
Der Neusiedler See wird gemeinhin als Steppensee bezeichnet, weil er in hydrologischer und chemischer Hinsicht sowie in Hinblick auf vorhandene Lebensgemeinschaften eine Reihe typischer Merkmale aufweist. Worin besteht also seine Besonderheit? Der See ist von drei Faktoren geprägt, die essenziell für das Verständnis des gesamten Ökosystems sind. Erstens, die Hydrometeorologie: Das bedeutet, dass der See trotz seiner großen Ausdehnung ein auffällig kleines Einzugsgebiet und keinen natürlichen Abfluss hat. Nennenswerte Zuflüsse sind bis auf die Wulka nicht vorhanden, der See ist ganz wesentlich von Niederschlägen abhängig. Allerdings übersteigt im warmen pannonischen Klima die Verdunstung im langjährigen Mittel den Niederschlag. Zweitens, die Morphologie: der See ist mit einer mittleren Tiefe von 1,4 Metern extrem flach. Dadurch ist der offene See Wind und Wellen ausgesetzt, die den gesamten Wasserkörper bis zur Schlammschicht aufwirbeln können. Im breiten Schilfgürtel wird über Kanäle trübes Seewasser in die Uferbereiche transportiert, wo die Schwebstoffe rasch absinken. Drittens, die physikalisch-chemischen Eigenschaften:
Aufgrund der geringen Wassertiefe und weiterer Spezifika kann es im See zu extremen Temperaturschwankungen von zehn Grad innerhalb eines Tages kommen. Zudem kann durch die Trübe des Sees kaum Licht in den Wasserkörper eindringen. Diese erfüllt mehrere wichtige Aufgaben: Sie hemmt die Produktion von Biomasse und trägt über komplizierte Prozesse zur Selbstreinigung des Sees und damit auch zur Wasserqualität bei.
Schilfgürtel landseitig
Das durch Huminsäuren gefärbte, klare Wasser im Schilfgürtel unterscheidet sich deutlich vom trüben Wasser im offenen See.
Woher kommt die Trübe?
Die Trübe entsteht nicht nur aus der Aufwirbelung von Sedimenten, sondern wird permanent neu gebildet. Sie ergibt sich u.a. aus der Zufuhr von kalkreichem Wasser aus der Wulka sowie dem relativ hohen pH-Wert des Sees. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurde der See durch eine besonders hohe Zufuhr von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff aus der Landwirtschaft sowie die Einleitung nährstoffreicher Abwässer belastet. Durch die Trübe des Wassers wurde das Wachstum der Algen zumindest eingedämmt. Doch bis heute produziert der breite Schilfgürtel eine große Menge an organischem Material. Für dessen Abbau wird Sauerstoff benötigt, der – anders als im offenen See – im Schilfgürtel nur bedingt vorhanden ist. Daraus ergibt sich eine der Problemzonen des Sees, weil das organische Material nicht mehr vollständig zersetzt werden kann. Eine zu klärende Frage ist, wie bzw. ob daraus resultierende Verlandungsprozesse gestoppt werden können.
Welche Zusammensetzung hat das Wasser des Sees?
Der häufigste Wasserinhaltsstoff im Neusiedler See ist aber nicht Calcium, sondern Natrium, das gemeinsam mit Hydrogenkarbonat Soda oder Natron bildet. Die Natrium-Konzentration des Sees geht wesentlich auf Mineralwasserquellen aus dem Untergrund zurück, von wo laufend Nachschub mit Salzen erfolgt. Im 20. Jahrhundert wurde der Salzgehalt des Sees durch Ausleitungen über den Einser-Kanal maßgeblich beeinflusst, es kam zu einer Aussüßung, die sich auch auf das Gleichgewicht des Ökosystems auswirkt. Für die Lebensgemeinschaften und auch die Wasserqualität des Sees ist der Salzgehalt und die chemische Zusammensetzung des Wassers von großer Bedeutung. Wer im See lebt, muss eine gewisse Salztoleranz aufweisen, da ein hoher Salzgehalt z.B. einen osmotischen Druck auf die Organismen ausübt. Deshalb gibt es hier etwa Kleinkrebse, die nur aus Salzgewässern mit höherer Konzentration bekannt sind.
Wie wirkt sich eine Dotation durch Donauwasser aus?
Es lässt sich bereits erahnen, dass das Ökosystem des Neusiedler Sees ebenso komplex wie fragil ist. Eine Dotation mit Wasser aus der Mosoni Duna (Wieselburger Donau), wie sie aktuell angedacht ist, lässt noch eine ganze Reihe von Fragen offen. Es gilt, eine wissenschaftlich fundierte Analyse über die Auswirkungen dieses Eingriffs vorzunehmen. Neben einer Veränderung des Chemismus des Sees ist etwa auch zu bedenken, ob mit dem Fremdwasser Neobiota oder potenzielle Schadstoffe eingebracht werden. Entscheidend ist auch die Dotationsmenge, um das sensible System der Mikroorganismen, das für den Abbau organischer Materialien verantwortlich ist, nicht zu beeinträchtigen. Dass dieser flache See nicht längst verlandet ist, hat vermutlich mit seinen episodischen Austrocknungs- und Hochwasserereignissen zu tun, aber auch mit der Fähigkeit, sich über die beschriebenen Prozesse selbst zu regulieren.
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